Hohe Decken, die Wände voller Kunst, ein bisschen Trödel: Die Einrichtung der Academie der schönsten Künste erinnert an ein Wiener Kaffeehaus. Das Lokal ist in Stuttgart eine Institution, seit 25 Jahren werden hier Gäste bedient. Doch fast hätte es den Gastronomen André Divanach im vorigen Jahr erwischt. Die Rückzahlung eines Coronakredits stand an, doch aus dem laufenden Gastronomiebetrieb war die nicht zu stemmen, Divanachs Lebenstraum drohte zu platzen. 2019 hatte er die Academie als Pächter übernommen – nach 18 Jahren Erfahrung in der Gastronomie. Im Oktober 2024 stellte der 49-Jährige einen Insolvenzantrag – mit großen Bauchschmerzen. „Insolvenz“ klingt schließlich nicht gerade nach Erfolg.
Doch mit dem Antrag bekam der Unternehmer vom Gericht einen Retter an die Seite gestellt: Markus Schuster, Insolvenzverwalter von Schultze & Braun. Schuster gelang es, die Pleite abzuwehren. Mit Unterstützung des Profis verhandelte Divanach einen neuen Bankkredit, Vermieter und Lieferanten akzeptierten neue Konditionen, stundeten Zahlungen. Zudem brachte Schuster den Gastronomen darauf, wie er die Academie fortführen kann: Da der Betrieb als GmbH fungiert, haftet Divanach nicht mit seinem Privatvermögen. Als Einzelunternehmer kann er der insolventen Kapitalgesellschaft Profiherd und Lokalausstattung abkaufen und neu starten.
Finanzielle Schieflagen häufen sich derzeit bei Hotels und Gaststätten. Allein in Stuttgart stünden derzeit ein Dutzend teilweise bekannter Restaurants, Bars oder Cafés auf der Liste der Insolvenzbekanntmachungen, erzählt Schuster, der als Insolvenzrechtler bereits mehrere Restaurant- und Hotelbetriebe in ähnlichen Situationen begleitet hat. Häufig mangele es nicht an der Nachfrage, doch die gestiegenen Kosten für Personal, Lebensmittel und Strom würfen die Kalkulation der Betriebe über den Haufen.
Seit fünf Jahren arbeitet der 37-Jährige bei Schultze & Braun in der Stuttgarter Dependance. Schuster, dunkles Haar, Hornbrille, beschreibt seine Rolle gern als „Notarzt für Unternehmen“. Es gehe zwar nicht um Leben und Tod, aber um die Existenz von Firmen. Sein Einsatzfeld reicht vom Fensterbauer über das Putzunternehmen bis zur Pferdepeitschen-Manufaktur, meist handelt es sich um kleine und mittlere Unternehmen.
Die Kanzlei mit über 30 Standorten, vier davon in Frankreich und Italien, zählt zu den großen. Im Ranking der besten Kanzleien für Privatmandanten gehört sie in diesem Jahr zu den herausragenden beim Insolvenzrecht. Ermittelt wurde die Liste im Rahmen einer deutschlandweiten Befragung von Capital, „Stern“ und dem Marktforschungsinstitut Statista.
Die Krise kann ein Anfang sein
Zu den prominentesten Verfahren von Schultze & Braun aus der jüngsten Zeit zählen der Batteriehersteller Varta, für den es nun einen Rettungsplan gibt, bei dem die Anleger allerdings viel Geld verlieren, und der Felgenhersteller BBS, bei dem Anfang des Jahres nach der fünften Insolvenz ein Neustart gelang. Einer der spektakulärsten Fälle war das Unternehmen Flowtex, das in den 90er-Jahren Tausende Spezialbohrgeräte „verkaufte“, von denen die meisten nur auf dem Papier existierten – einer der größten Fälle von Wirtschaftskriminalität in der Geschichte der Bundesrepublik.
Häufig geht es jedoch um kleine und mittelgroße Firmen – viele davon inhabergeführt und laut Schuster besonders anfällig dafür, Notsituationen zu kaschieren, statt Alarm zu schlagen. Oft wollten die Geschäftsführer nicht wahrhaben, dass sie es aus eigener Kraft nicht mehr schaffen, und gäben Durchhalteparolen aus – bis es zu spät sei.
Ein Grund: In vielen Köpfen herrsche immer noch das Bild vom „bösen“ Insolvenzverwalter vor, der alles verkaufe, die Forderungen einziehe, und das war’s. Alle Mandanten könne er nicht retten, räumt Schuster ein. Geschäftsabwicklungen und Liquidationen seien nicht zu vermeiden. Vielen sei jedoch nicht bewusst, dass „die Krise auch ein Anfang sein kann. Dass wir kommen, um einen Betrieb fortzuführen, Käufer suchen, mit Kunden und Lieferanten reden“.
Jahrzehntelang lief es gerade bei kleineren und mittleren Betrieben gut, Insolvenzen waren aus dem Blickfeld verschwunden. Doch nun lasten auf Unternehmen zahlreiche Probleme: teure Energie, Bürokratie, Unsicherheit, Konsumzurückhaltung. Zudem sind Ausnahmeregeln ausgelaufen, mit denen der Staat versucht hat, eine Pleitewelle in der Coronapandemie zu verhindern.
Rund 22.400 Unternehmen haben 2024 Insolvenz angemeldet, schätzt die Wirtschaftsauskunftei Creditreform, der höchste Wert seit 2015. In diesem Jahr könnten es sogar mehr als 32.000 werden – so viele wie zuletzt in der Finanzkrise 2009. Auch bei den Privatinsolvenzen ist die Tendenz steigend und erreichte zuletzt 72.100 Fälle. Es gehe jetzt ans Eingemachte, sagt Schusters Kollege Alexander Eggen, Standortleiter von Schultze & Braun in Frankfurt. Neben der Gastronomie, der Baubranche und dem Einzelhandel treffe es zunehmend auch Automobilzulieferer. Mit Sorge beobachten die Anwälte die stillen Geschäftsaufgaben: Da werden GmbHs liquidiert, geben Einzelunternehmer ihren Betrieb auf, weil sie keinen Sinn mehr darin sehen, sich von außen Hilfe zu holen. Dieses stille Sterben nehme zu.
Von Gerichten werden die Anwälte von Schultze & Braun oft als Insolvenzverwalter bestellt. „Wir kommen meist in eine sehr angespannte Situation hinein“, erzählt Eggen. Es komme drauf an, „schnell das Eis zu brechen und einen Draht zu den Geschäftsführern und zur zweiten Reihe zu entwickeln“. Denn ohne deren Kooperation funktioniere kein Notfallplan und kein Neuanfang. „Wir müssen nicht nur gute Juristen und Betriebswirte sein“, so Eggen, „sondern auch gute Psychologen.“
Der Stress im Job sei groß, geregelte Arbeits- und Urlaubszeiten seien kaum möglich, sagt Schuster. In der Nacht zuvor hat er noch spät an den Formulierungen eines Kaufvertrags gefeilt. Nun sieht er müde aus. Der Anwalt hofft, durch seinen Einsatz eine insolvente Kanal- und Rohrreinigungsfirma mit rund 60 Mitarbeitern aus dem Stuttgarter Umland zu retten. Um einen Käufer für den Familienbetrieb zu finden, hatten Schuster und sein Team rund 250 Firmen angeschrieben und potenziellen Kandidaten den Betrieb präsentiert. Schließlich meldete ein Wettbewerber Interesse am zweiten Standort des Familienbetriebes in Ostdeutschland an. Ein Ex-Mitarbeiter erwägt die Übernahme des Stammsitzes.
Schuster hofft, den Mitarbeitern bald einen Käufer präsentieren zu können, der möglichst viele Arbeitsplätze und das Geschäft erhält. Oft aber muss er Kündigungen aussprechen, die der Käufer zur Auflage macht. Als Insolvenzverwalter kann er jeden Mitarbeiter binnen drei Monaten entlassen. Für den Rohrreinigungsbetrieb, deren Geschäftsführer beide in den Siebzigern sind, sieht es gut aus. Nun hofft er, dass der Deal nicht in der allerletzten Sekunde noch am Geld scheitert.
Ein Thema, viele Disziplinen
Zum Portfolio von Schultze & Braun zählen neben der klassischen Insolvenzverwaltung auch die Restrukturierung, die Sanierung sowie die beratende Krisenvermeidung – Eggen nennt den letzten Punkt „Vorsorgeuntersuchung“. Die Kanzlei beschäftigt rund 70 Rechtsanwälte, viele davon Insolvenzrechtler, aber auch 15 Steuerberater, drei Wirtschaftsprüfer – insgesamt mehr als 500 Mitarbeiter. Schon die Gründer, Eberhard Braun und Wolfgang Schultze, starteten die Kanzlei vor 50 Jahren in Achern bei Baden-Baden als interdisziplinäres Team.
Den Gang zum Anwalt empfehlen Schuster und Eggen jedem Selbstständigen, der seinen Betrieb nach der Schuldenbereinigung fortführen wolle. Im Insolvenzfall gebe es viele steuerliche und haftungsrechtliche Haken und Kniffe. Einzelunternehmer sitzen dabei häufig dem Missverständnis auf, es gebe getrennte Insolvenzverfahren für das Unternehmen und den privaten Bereich. Doch führt ein Unternehmer den Betrieb als Personengesellschaft (OHG, GbR, KG), haftet er generell mit seinem vollen Vermögen. Nicht selten setzt ein Unternehmer zudem als Sicherheit für einen Bankkredit privates Vermögen ein– sein Haus etwa. Prominentestes Beispiel dafür ist wohl der einstige Drogeriekönig Anton Schlecker, der 2012 die Insolvenz seines Unternehmens anmelden – und für Schulden in Höhe von mehr als 1 Mrd. Euro haften musste. Zum Verhängnis wurde ihm, dass er sein Firmenimperium als eingetragener Kaufmann geführte hatte, wohl um seinen Jahresabschluss nicht offenlegen zu müssen.
Schuster und Eggen eint, dass sie nie nur klassische Anwälte sein wollten. „Für mich lag nichts ferner, als zwölf, 14 Stunden am Schreibtisch zu sitzen und über einer komplizierten Rechtsfrage zu brüten“, sagt Schuster. Er hat neben Jura auch Betriebswirtschaft studiert und wollte beide Fächer verknüpfen. Auch Eggen mag keine Schreibtischhockerei, so sagt er, sondern will dabei helfen, einen Betrieb zu restrukturieren und zu sanieren. Wenn dadurch ein Neuanfang gelinge, sei das auch persönlich sehr befriedigend.
So läuft die Auswahl
Wer einen Anwalt sucht, erwartet Kompetenz, Reputation und einen vertrauensvollen Umgang. Diese Studie, die das Marktforschungsinstitut Statista jährlich gemeinsam mit Capital und dem „Stern“ erhebt, soll dabei helfen, den passenden Rechtsexperten zu finden. Mittels einer breit angelegten Befragung wurden zum sechsten Mal die besten Kanzleien für Privatmandanten ermittelt. Sieben Rechtsgebiete werden in Capital abgebildet, weitere fünf lassen sich im „Stern“ nachlesen. Auf capital.de/rechtsanwaelte-2025 können gezielt Fachleute nach Rechtsgebieten und Regionen gesucht werden.
Die Methode
Juristen können die Qualität ihrer Kollegen am besten einschätzen und wissen, auf wen Verlass ist und wer vor Gericht das meiste für seine Mandanten herausholt. Für die Studie in diesem Jahr wurden 32 693 Rechtsanwälte eingeladen, an einer Onlineumfrage teilzunehmen, die vom 7. Oktober bis zum 29. November 2024 lief.
Die Entscheidung
Pro Fachbereich konnten die Rechtsanwälte bis zu zehn Empfehlungen für Kanzleien abgeben. Eigennennungen waren tabu. Insgesamt 3 754 Teilnehmer gaben ihr Votum ab. Auf die Bestenliste schafften es nur Kanzleien, die überdurchschnittlich häufig von Kollegen empfohlen wurden. Kanzleien mit nur wenigen Empfehlungen wurden dagegen nicht aufgenommen. Dies stellt keine Qualitätsaussage über Kanzleien dar, die nicht in der Liste vertreten sind. Je nach Rechtsgebiet sind die Bestenlisten unterschiedlich lang. Unterteilt wurden die Aufstellungen in regional und überregional vertretene Kanzleien.
Über Statista
Statista veröffentlicht regelmäßig weltweit etablierte Rankings und Unternehmens-Toplisten mit hochkarätigen Medienpartnern. Das führende Daten- und Business-Intelligence-Portal bietet Statistiken, geschäftsrelevante Daten und zahlreiche Markt- und Verbraucherstudien.
Das Gütesiegel
117 Kanzleien erhalten diesmal eine Topbewertung und können ein Siegel lizenzieren. Die Aufnahme in die Bestenliste ist unabhängig vom Erwerb des Siegels. Genauere Informationen zu den Bedingungen finden Sie unter capital.de/siegel